Nicco Kunzmann

Essays

Verantwortung

Verantwortung

Was ist Verantwortung?

Ver-Ant-Wort-ung
 |  |    |   +- Endung wir für einen Prozess, ein Tun
 |  |    +- Es ist etwas sprachliches.
 |  +- Ich schätze, das hat was wie "ander" nur kurz als Geschichte
 +- macht die Tätigkeit abgeschlossen.

Meine erste Hypothese für Lange Zeit war, dass es bedeutet, jemandem abschließend antworten zu können. Das heißt: Jemand fragt mich, warum hast du das getan und ich kann antworten. Ich kann begründen, warum das so ist.

In dieser Betrachtung kommt die Subjektivität und die Schwierigkeit hinzu, eine Antwort zu finden und ob diese auch als Antwort erkannt wird.

Beispielfrage: “Warum ist das Licht an?” Antwort: “Entschuldige, ich habe nicht gesehen, dass du schläfst.” Klick Antwort: “Weil wir einen Stromkreis geschlossen haben.”

Verantwortung als Gemeinsamer Prozess

Verantwortlich sein heißt, fähig zu sein, eine Antwort zu generieren. Wer macht mich also verantwortlich? Das ist der, der fragt: Ich mache was, wer anders stellt mich zur Rede. Diese Person bewertet, ob meine Antwort zählt. Ich bin also immer nur Subjektiv verantwortlich, wenn der andere mich versteht. (Eine dritte größere Macht, der ich zu antworten habe, erkenne ich zumindest nicht an und deswegen betrachte ich die hier nicht.)

Die Antwort und unser Vertrauen darauf

Eine Antwort ist auf verschiedenen Ebenen möglich. Die letzte Antwort ist wahrscheinlich nie gegeben. Wie kann man dann verantwortLICH sein? (-lich: dass man das Verb tun kann) Wenn ich vertraue, dass der andere verantworten kann? = Wenn ich vertraue, dass wir die Situation gemeinsam (nicht gleich) verstehen können. Dann ist Vertrauen ein wesentlicher Grundstein.

Einen Grundstein für Vertrauen legt das Paradigma: “Der Mensch an sich ist schlecht.” und “Der Mensch an sich ist gut.” und “Der Mensch ist, wie er ist.”

Was ist Vertrauen, dazu Brene Brown: The Anatomy of Trust, 16. April 2017.

Verantwortung und Gehorsam

Eine Anekdote: Vater sagt: “Räum auf!” Vater kommt wieder: “Du hast nicht aufgeräumt, das ist unverantwortlich!” Verantwortung wird hier als Gehorsam verwendet. Warum? Ich erkläre es damit, was der Vater als Antwort annimmt: Wenn er eine Handlung vorschlägt und diese als die einzig wahre Handlung annimmt, sind alle anderen Verhaltensweisen nicht annehmbar. Deswegen ist das Verhalten für den Vater nicht verantworlich. Wenn ich die andere Seite nicht verstehen kann, kann ich eine Antwort dieser Seite nicht annehmen, kann also sagen, dass die andere Person sich nicht vor mir verantwortet.

Verantwortung von Gehorsam trennen kann nur, wer offen für andere Sichtweisen ist. Wenn beide Seite aneinander vorbeireden, können sie sich gegenseitig als unverantwortlich ansehen, ohne dass das widerlegt wird, weil sie keine Antworten erhalten.

Verantwortung Übernehmen/Abgeben

Eine Anekdote:

Der Journalist fragt einen Obernazi bei der Nürnberger Prozessen: “War es schwer, so viele Menschen in den Tod zu schicken?” Die Antwort: “Nein, es war einfach. Unsere Sprache hat es einfach gemacht.”

Marshal Rosenberg nennt diese Sprache “Amtsprache”, eine Sprache, die Verantwortung leugnet/ablehnt(deny). Ablehnen ist gegenteilig zu Annehmen.

“Ich muss”, “Es war Befehl”, “Anweisungen”, “Ich soll”, “Ich darf” ordne ich ein bei Verben, die das Subjekt ihrer Handlung nicht zeigen.

Das sind die Fragen, die die weiteren Akteure zeigen, die meine Handlung mit Beeinflussen. Diese Ungesagte ist etwas, das ich sprachlich nicht zeige, das ich nicht bedenke, das ich nicht hinterfrage, das ein innerer Zensor ist, weil ich für den kein Wort habe. Wenn ich kein Wort habe, kann ich nicht verantWORTen.

QED

Ich kann eine Sprache lernen und sprechen, die mich unverantwortlich macht.

Wie kann ich Verantwortung abgeben?

Ich kann sagen, der Chef hat es gesagt. Dann kann der Chef hoffentlich antworten. Wenn er es nicht kann, was dann?

These: Eine Zentralisierung der Entscheidungsmacht findet statt, wenn man seine Verantwortung an andere gibt. Ist deswegen Dezentralität der Weg zur Sicherheit?

Über das Verantworten

Dass eine einzelne Person etwas verantwortet, ist nicht möglich. Das hat die Betrachtung zur Subjektivität ergeben. Also ist die Sprache fehlleitend: Wenn ich sage, dass “jemand sich verantworten soll”, nimmt meine Sprache mich aus dem Satz raus. Es scheint, als sei es kein Dialog. Wir haben hier wieder einen Hinweis, dass unsere Sprache Verantwortung ablehnt und das schon an der Quelle: beim Verantworten.

Abschweifung: Ich denke, das hat mit der Dritten Macht zu tun: Die Obrigkeit, der Gott, der Richter. Diese ist so in unsere Sprache und unser Denken eingepflanzt, dass sie sich überall hindurch zieht, wie ein Kontext, der bedeutend mitschwingt. Wenn Kriege die Abwesenheit von Dialog sind, dann kann eine Sprache wahrlich tödlich sein - wenn wir den anderen nicht verstehen, weil es unsere Sprache nicht erlaubt.

Ein erster Schritt, füreinander da zu sein, ist diese eigene Verantwortung füreinander zu ergreifen und zu fragen. “Warum machst du das?” Ohne die Annahme, die eigene Lösung sei die einzige und mit der Bereitschaft, zuzuhören.